Tag 6: Aufbau der Südpyrenäen: Die Rio Jaca-Traverse

Tag 6: Das Jaca-Becken

Einleitung

Nordwestlich des Ainsa-Beckens schließt sich das Jaca-Pamplona "piggy-back"-Beckensystem gleichen Alters an (Abb. 6.0.1). Es repräsentiert das westlichste Becken des südlichen Pyrenäenvorlandes, hervorgegangen aus südwärts progradierenden Überschiebungsdecken. Triassische und permische Evaporite bilden dabei Detachmenthorizonte (Abb. 6.0.2). Im Süden (Sierras Marginales) treten diese in Form von frontalen Rampen und Überschiebungen auf das angrenzende Ebro-Becken zu Tage und bilden die südliche Grenze des Hauptdeformationsbereichs der Pyrenäen.

Abb. 6.0.1: Vereinfachte geologische Übersicht der Beckensysteme des südlichen Pyrenäenvorlandes. Die Beckenfüllung progradierte vom SW (Tremp-Graus-Becken) nach NW über das Ainsa-Becken in das Jaca-Becken

Picture: Hogan and Burbank, 1996

Während des späten Lutetiums bis zum späten Oligozän lagerten sich ca. 5 km mächtige, syntektonische Siliziklastika auf oberkretazischen - paläozänen Plattformkarbonaten ab.  Das E-W orientierte Jaca-Becken mit seiner sehr gut erhaltenen sedimentären Abfolge und strukturellen Elementen weist eine generell regressive Sedimentfüllung auf (Abb. 6.0.3). Sie variiert von tiefmarinen Turbiditen bis zu kontinentalen, fluviatil-alluvialen "redbeds".  

Abb. 6.0.2: Vereinfachtes geologisches N-S Profil durch das Jaca-"Huckepack"-Becken mit seinen angrenzenden Bereichen; im S: Sierras Marginales / External Sierras, im N: axiale Zone der Pyrenäen

Image: Teixell, 1996

Abb. 6.0.3: Vereinfachte stratigrafische Abfolge des Jaca-Beckens mit einem generellen "shallowing-upward" Trend

Image: Teixell, 1996

Die hohe Sedimentationsrate des Jaca-Beckens wird mit der Hauptphase der tektonischen Hebung der Pyrenäen, der hohen Verkürzungsrate (geschätzte 4,5 mm/Ma) und einer hohen Subsidenz (ca. 33 m/Ma) in Verbindung gebracht.

Ein Vergleich des Jaca-Beckens mit dem Ainsa-Becken zeigt, dass die Entwicklung des Jaca-Beckens ähnlich verlief, aber später einsetzte. Während im oberen Lutetian im Ainsa-Becken Deltasysteme progradierten (Sobrarbe Fm.; siehe Tag 3), kam es im Jaca-Becken zu tiefmariner Sedimentation. Liefergebiete lagen im NE, E und wahrscheinlich auch im SSE. Im Barton repräsentiert das fluviatile System der Escanilla Fm. ein überfülltes Ainsa-Becken. Im frühen Oligozän wurden die Sierras Externales herausgehoben und die Boltaña-Antiklinale des Ainsa-Beckens gebildet. Außerdem hob sich die axiale Zone der Pyrenäen, so dass von dort grobklastisches Sediment von alluvialen Fächern in das Jaca-Becken geschüttet wurden.

Interessant sind die neun "Megaturbidite" (ein Misnomer; es sind Megabrekzien und debris flows) der früh- bis mitteleozänen Hecho Formation, die als Olisthostrome in die schmale, tiefe Rinne des Jacabeckens glitten. Sie enthalten bis zu hausgroße Blöcke der südlich angrenzenden Plattformkarbonate (Hogan and Burbank, 1996; Larrasoaña et al., 1997; Payros et al., 1999; Teixell, 1996; Moss, 2005; Teletzke, 2012).

Abb. 6.1.1: "Punto Geológico" am Rande des Jacobwegs, turbiditische Sequenzen vor Castiello de Jaca.

Image: C. Heubeck

Stop 6.1: Turbidite bei Castiello de Jaca

Paul Fugmann

Der erste Aufschluss des Tages führte uns von Ainsa nach Westen zur ca. 70 km entfernten Stadt Jaca. Der E-07 etwa 6 km nach Norden folgend, führt die Straße entlang des Rio Aragón. Etwa 1 km südlich des Ortes Castiello de Jaca durchschneidet die Schnellstraße eine prominente Gesteinsrippe der Hecho Formation und überquert dabei den Fluss. Die alte Straße bietet zwei bequeme Parkgelegenheiten, die beide neben lohnenden, prominenten Aufschlüssen liegen.

Der Aufschluss zeigt steil fallende, nach N überkippte gut gebankte Sandsteine in einer Gesamtmächtigkeit von mehreren Zehner m, alternierend mit überwiegend dünnbankigen, sandigen Mergeln. Die dunklen, fein- bis mittelkörnigen Sandsteine sind dünnbankig bis massig, gut bis sehr gut sortiert und von kalkarenitischer Zusammensetzung; manche tragen an ihrer Basis deformierte Tonklasten von 1 bis 15 cm Länge, die auf eine erhöhte Viskosität des Turbulenzstromes an seiner Basis hinweisen. Sandsteine sind stark bioturbiert und zeigen Grabgänge. Außerdem zeigen die Unterseiten der Schichtflächen in der Vormittagssonne schräg angeleuchtete Kolk- und Fiedermarken von nordwärts gerichteter Strömung sowie Riefen.

Abb. 6.1.2: Übersichtsfoto der überkippten (roter Pfeil zeigt Jüngungsrichtung), dünnbankigen-massiven Turbidite bei Castiello de Jaca. Sandsteinbänke sind wenig erosiv und weitaushaltend. Sie repräsentieren hohe Sedimentationsraten von Sand und die konstruktive Stapelung von stark abgebremsten und sich unbegrenzt lateral ausbreitenden Trübeströmen am Fuß eines submarinen Hanges. Diese Fazies stellt ein ausgezeichnetes Reservoirgestein für Kohlenwasserstoffe dar.

Image: P. Fugmann

Die Ta-Sandsteine bilden den inneren Fan-Lobus eines großen submarinen Fächers. Dessen Bildung erfolgte während des mittleren Eozän (Lutet), wobei die ostwärts gelegenen Deltas des Ainsa-Beckens Liefergebiete bildeten. Die kalkigen Olistostrome, auf die wir in Stopp 6.4. eingehen werden, zeigen dagegen wahrscheinlich eine südliche Provenanz an.

Abb. 6.1.3: Sedimentäre Strukturen an der Basis von Sandsteinbänken (die Wurm-Perspektive; "worm's-eye view"). 1: Grabgänge von Planolites und Thalassinoides; 2: Radialstrahlige Grabgänge von Phoebichnus. 3: Sandverfüllte Kolkmarken, d.h. durch turbulente Wirbel gebildete erosive Vertiefungen ("flute casts"). 4: Wenig erosive Riefen ("tool marks").

Image: P. Fugmann

Stop 6.2: Straßenanschnitt bei Hecho

Paul Fugmann

Hecho, ein kleiner Ort ca. 24 km nw Jaca, ist namensgebend für die Hecho Formation (Abb. 6.2.1). Ein Straßenanschnitt etwa 2 km südlich des Dorfes entlang der A-176 Richtung Embún zeigt interessante stratigraphische Beziehungen (Abb. 6.2.2) (und bietet sich als Picknickplatz an).

Abb. 6.2.1: Vereinfachte geologische Übersichtskarte des Jaca-Becken

Picture: Remacha and Fernández, 2003

Im Aufschluss liegen schlecht gebankte, teils sandige Karbonate diskordant auf einem verfalteten und intern überschobenen Komplex aus dickplattigen bis dünnbankigen Mergeln, Silt- und Feinsandsteinen. Innerhalb dieses Komplexes finden sich Nummuliten und mud clasts wie auch größere, teils bioturbierte Fetzen der hangenden sandigen Karbonate. Die Nummuliten selbst scheinen undeformiert und weisen deshalb auf die Verformung von unverfestigtem Sediment hin. Eine Überschiebungsrampe durchtrennt beide Einheiten und mag eine spätere Phase der Beckenverkürzung repräsentieren. 

Abb. 6.2.2: Straßenanschnitt ca. 2 km südlich Hecho.

Picture: P. Fugmann

Abb. 6.2.3: Vereinfachtes Modell zur Enstehung der Olistostrome im Jaca-Becken

Picture: Payros et al., 1999

Die anstehenden Gesteine sind Teil der MT-4 ("4. Megaturbidit")-Sequenz der tiefmarinen Hecho Fm. Die diskordant aufliegenden, sandigen Karbonate glitten von den südlichen, flachmarinen Plattformkarbonaten in Form von großen Olisthostromen ab. Insgesamt sind bisher neun dieser Sequenzen im Jaca-Becken bekannt.

Eine mögliche Ursache dieser sich wiederholenden Olistostrom-Schüttungen liegt in wechselnden Phasen tektonischer Aktivität und einem schwankenden Meeresspiegel (Abb. 6.2.3). Es wechselten tektonische Ruhephasen mit relativem Hochstand des Meeresspiegels mit Phasen stärkerer tektonischer Aktivität und sinkendem relativen Meeresspiegel. Tektonische Beckenverkürzung und Progradation des Falten- und Überschiebungsgürtels Richtung Vorland erhöhte die Subsidenzrate, hob den Rand des Vorlandbeckens heraus und versteilte den submarinen Hang. Erdbeben können in solch metastabilen Situationen leicht  Plattformränder destabilisieren und den Abgang großer Schuttströme und  Olisthostrome verursachen (Payros et al., 1999; Remacha and Fernández, 2003; Teixell, 1996; Vergés, 2002).

Abb. 6.3.1: Campingplatz Selva de Oza

Image: C. Heubeck

Stop 6.3: Tonklast-Konglomerat der Trias

Maximilian Kunst

Weil inzwischen der Tag schon etwas fortgeschritten war, fuhren wir weiter nach Norden, nahezu ohne Halt durch Hecho und an Siresa vorbei, durchschnitten in einer dramatisch engen, tief eingeschnittenen Schlucht die Decke der kretazischen Plattformkarbonate und erreichten am oberen Ende der Schlucht den auf einer alpinen Wiese knapp unter dem Pyrenäenhauptkamm idyllisch gelegenen Campingplatz Refugio Selva de Oza. Dort verschwand die Straße, wie schon gestern 100 km weiter östlich, wieder unter Schnee und Matsch. Der Exkursionsleiter lud deshalb die Teilnehmer zu einem Kaffeegetränk ihrer Wahl ein (Abb. 6.3.1.), auch um Zeit zu finden, sich in der spektakulären alpinen Landschaft geologisch zu orientieren.

Im Bachbett stromabwärts der Brücke stehen mächtige, nahezu vertikal fallende rote Tonklast-Konglomerate an. Weil die Matrix ebenfalls aus rotem Ton besteht und sandige Extraklasten nur vereinzelt auftreten, ist die grobklastische Natur (und damit die mittel- bis hochenergetische Ablagerung) dieses Sediments nur schwierig und auf dem zweiten Blick zu erkennen; vielmehr ähnelt das Gestein einem massiven, ungeschichteten Tonstein. Die Lithofazies spricht für eine terrestrische und stark oxidative Ablagerung in flachem Wasser, z.B. distal in einer Playa oder in einer ariden fluviatilen Überflutungsebene.

Abb. 6.3.2: Aufschluss am Campingplatz Selva de Oza, wenige m stromabwärts der Brücke über den Gebirgsbach. Steilstehende, mäßig geschieferte rote Ton- und Siltsteine triassischen Alters (links) bestehen aus Tonklastkonglomeraten, zeigen Grabspuren (rechts) und möglicherweise Entwässerungsstrukturen, alles Hinweise auf terrestrische und (semi-)aride Sedimentation, wie sie zu dieser Zeit auch im Germanischen Becken, einem anderen Teilbereich Pangäas, verbreitet war.

Image: C. Heubeck

Stop 6.4: Abzweigung nach Urdués

Lukas Gander

Unmittelbar an der Abzweigung der Landstraße HU-V-2102 nach Urdués von der A-176 zwischen Hecho und Embun ist eine saiger stehende, bis zu 100 m mächtige Olisthostrom-Einheit (Abb. 6.4.1) aufgeschlossen, welche möbel- bis hausgroße Blöcke (Olistolithe) von gut gebankten Nummulitenkalken, karbonatischen Intraklast-Konglomeraten sowie Mikrite in einer karbonatischen bis mergeligen Matrix inkorporiert.

Die Basis des Olisthostroms zeigt eine wohldefinierte, geschieferte und lokal mäßig erosive, gewellte Fläche zu liegenden grauen Mergeln. Karbonate im Hangenden des ca. 35 m mächtigen Olisthostroms sind in einer Mächtigkeit von ca. 10 m eng und disharmonisch gefaltet; sie glitten wohl als Rutschmasse auf den Blockstrom auf. Im Hangenden anschließende Kalke, Mergel und Tonsteine sind nach wenigen m vollkommen ungestört.

Abb. 6.4.1:Überblick über den mächtigen, saiger stehenden Olisthostrom an der Straße nach Urdués. Der Olisthostrom streicht quer zur Straße und Bach; stratigraphisch top ist zum Betrachter.

Image: C. Wagner.

Der Olisthostrom stellt einen submarinen kalkigen Schuttstrom (debris flow) dar, der innerhalb weniger Minuten oder Stunden abgelagert wurde. Submarine Schuttströme entstehen durch das lokale oder regionale gravitative Abrutschen metastabiler Karbonatbänke von Plattformrändern. Diese eindrucksvollen submarinen Massenverlagerungen werden häufig durch Erdbeben ausgelöst und können von Tsunamis begleitet werden.

Abb. 6.4.2: Enge disharmonische Faltung von Kalksteinbänken, den Olisthostrom als Rutschmasse überlagernd. Regionales Streichen ist vertikal; stratigraphisch top ist links.

Image: C. Wagner.

Literatur, Tag 6

Hogan, P.J., Burbank, D.W., 1996. Evolution of the Jaca piggyback basin and emergence of the External Sierra, southern Pyrenees, in: Friend, Peter, F., Dabrio, C. (Eds.), Tertiary Basins of Spain the Stratigraphic Record of Crustal Kinematics. Cambridge University Press.

Larrasoaña, J.C., Pueyo-Morer, E.L., Millán-Garrido, H., Parés, J.M., Del Valle, J., 1997. Deformation mechanisms deduced from AMS data in the Jaca-Pamplona basin (southern Pyrenees). Phys. Chem. Earth 22, 147-152.

Moss, J., 2005. Tectonic Controls on Eocene Deltaic Architecture , Jaca Basin , Spanish Pyrenees Volume 1.

Payros, A., Pujalte, V., Orue-Etxebarria, X., 1999. The South Pyrenean Eocene carbonate megabreccias revisited: New interpretation based on evidence from the Pamplona Basin. Sediment. Geol. 125, 165-194.

Remacha, E., Fernández, L.P., 2003. High-resolution correlation patterns in the turbidite systems of the Hecho Group (South-Central Pyrenees, Spain). Mar. Pet. Geol. 20, 711-726.

Teixell,  A.L., 1996. The Anso transect of the southern Pyrenees: basement and cover thrust geometries. J. Geol. Soc. London. 153, 301-310.

Teletzke, A.L., 2012. Sedimentary and tectonic evolution of the Peña flexure, southwest Pyrenean mountain front, Spain - viewcontent.cgi. Theses Diss. Pap. 1305. Lehigh University.

Vergés, J. et al., 2002. The Pyrenean orogen: pre-, syn- and postcollisional evolution. Reconstruction of the evolution of the Alpine-Himalayan Orogen. Journal of the Virtual Explorer.

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